Keine Aufforderung zum Nehmen des Urlaubs und kein Hinweis auf drohenden Verfall des Urlaubs - kein Verfall und keine Verjährung

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.12.2022, – 9 AZR 266/20

Gemäß § 7 Abs. 3 BurlG muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung auf das Folgejahr soll immer nur dann statthaft sein, wenn dringende betriebliche Gründe oder in der Person des/r Arbeitnehmenden liegende Gründe dies rechtfertigen. Dann muss der Resturlaub aus dem Vorjahr aber spätestens bis zum 31.03. des neuen Jahres genommen werden. Geschieht dies nicht verfällt er.

So das Gesetz und bislang konnten sich die Arbeitgeber gegenüber den Mitarbeitenden relativ bequem am 31.03 des Folgejahres darauf berufen, dass ihr Resturlaub aus dem Vorjahr verfallen ist. So einfach geht das nun aber nicht mehr.

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Rechtsprechung die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund der Vorabentscheidung vom 22. September 2022 (- C-120/21 -) umgesetzt. Danach muss der Arbeitgeber die Mitarbeitenden zum Nehmen des Urlaubs auffordern, sie in die Lage versetzen, dass der Urlaub genommen werden kann und darauf hinweisen, dass dieser verfällt, wenn er nicht genommen wird. Tut der Arbeitgeber dies nicht, verfällt der Urlaub weder am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG) noch am Ende eines zulässigen Übertragungszeitraumes (§ 7 Abs. 3 S. 3 BurlG). Aber damit nicht genug. Auch die gesetzliche Verjährungsfrist beginnt nicht zu laufen.

Zwar finden die Vorschriften über die Verjährung (§ 214 Abs. 1, § 194 Abs. 1 BGB) auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Fazit: Wollen Arbeitgeber es nicht riskieren, im Laufe der Zeit erheblichen Urlaubsansprüchen ihrer Mitarbeitenden ausgesetzt zu sein, müssen sie aktiv werden – und zwar für individuell für jeden einzelnen Mitarbeitenden. Bestenfalls direkt am Anfang des Kalenderjahres. Zu diesem Zeitpunkt muss der Arbeitgeber die einzelnen Mitarbeitenden darauf hinweisen, wie viel Urlaubstage sie konkret in diesem Kalenderjahr haben. Er muss zum Nehmen des Urlaubs auffordern, die Mitarbeitenden in die Lage versetzen, dass der Urlaub tatsächlich genommen werden kann, und darauf hinweisen, dass der Urlaub verfällt, wenn dieser freiwillig nicht genommen wird.

Arbeitnehmende hingegen sollten darauf achten, ob ihr Arbeitgeber seinen vorgenannten Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist. Wenn nicht, können sie Resturlaubsansprüche aus den Vorjahren noch geltend machen. Einen Verfall oder eine Verjährung müssen sie nicht befürchten. Gerade nach dem Ende eines Anstellungsverhältnisses ist dies oftmals ein willkommenes zusätzliches „Abschiedsgeschenk“.